Höhlentauchen unter der Großstadt

Eine weitverzweigte Thermalquelle im Herzen von Budapest gilt nach wie vor als Geheimtipp für Taucher mit Mut zum Besonderen. Auf einer Länge von über drei Kilometern und einer Tiefe von bis zu 65 Metern wechseln sich enge Kanäle mit Kathedralen-artigen Wunderräumen und glasklarer Sicht ab.

 

An dieses Bild gewöhnen sich selbst die Bewohner des zweiten Budapester Bezirks nur schwer: Wenige hundert Meter von der Margarethenbrücke entfernt marschieren drei Männer und eine Frau in schwerer Taucherausrüstung durch die Großstadt. Auf dem Rücken zwei Doppel-12-Flaschen, in der Hand wedeln zwei Flossen. Was wie eine unwirkliche Filmszene aussieht, entpuppt sich als ungewöhnlicher Zugangsweg für Höhlentaucher. Ihr Ziel ist das Janos-Molnar Höhlensystem am Fuße des Jozefbergs, nur wenige Meter vom türkischen Bad entfernt.

 

Auf einem kleinen Grundstück neben einem Teich wird Halt gemacht. Der Guide öffnet eine rostige Metall-Türe, die den Blick in die Unterwelt freigibt. Treppen laufen ins Dunkle hinunter, die schon nach wenigen Stufen unter Wasser stehen. Sandor Kalinovits betaucht die Höhle schon seit vielen Jahrzehnten. Über 3.000 Tauchgänge hat er zwecks Vermessungen und als Führer von erfahrenen Höhlentauchern bereits absolviert. Mit ihm taucht heute eine ungewöhnliche Gruppe, die normalerweise nur ohne Flaschen in die Tiefe geht: Markus Nebel mit seinen Freitaucher-Kollegen Gernot Matzenauer und Boris Piwinger. Dazu die Tauchlehrerin Hennie Kissling, welche die Budpapester Höhlentauchfahrten auf ihrer Homepage »www.divepage.at anbietet.

 

Ein eigenartiges Gefühl beschleicht die Taucher beim Herabsteigen ins 24 Grad warme Wasser. Nach wenigen Stufen sind sie bereits unter Wasser, die engen Höhlenwände verengen sich schon bald nach dem Einstieg zu einem etwa 60 – 70 Zentimeter breiten Loch. Wer es hier durch schafft, kann aber dann eine phantastische Unterwasser-Welt genießen: Enge Höhlenkanäle wechseln sich mit riesigen Unterwasser-Kammern ab. Beim ersten Tauchgang führt Sandor die Taucher ohne Flossen nur in den seichteren Teil der Höhle. Rund 15-20 Meter schwimmt man durch einen engen Kanal, dann verzweigt sich das System in einem Gewirr aus Gängen, Führungsleinen und kleinen und großen Kammern. In den seichteren Teilen am Beginn der Höhle testet Sandor das Können seiner Tauchschüler, denn weiter drinnen können Fehler böse Folgen haben.

 

Beim zweiten Tauchgang geht es dann auch in die tieferen Teile der Thermalhöhle. Die Beklemmung zu Beginn verschwindet rasch, und ein Gefühl von Geborgenheit taucht auf. Die Räume hier sind bizarr und mystisch. Die Wände verändern mitunter ihre Form und verfügen auch über ganz unterschiedliche Konsistenzen. Manche sind fest wie Granit, andere zerbröseln beim Hingreifen. In der „schwarzen Wand“ findet man viele Baryth-Kristalle. Und archäologisch Interessierte entdecken eine Vielzahl von Fossilien in den Höhlenwänden – sogar einen urzeitlichen Haizahn kann man hier fotografieren.

 

Die Taucher folgen schmalen Kanälen, und urplötzlich tauchen auch größere Räume auf, die teilweise so groß sind wie eine Garage. Einer davon ist nur zur Hälfte mit Wasser gefüllt - allerdings sollte man das Atmen ohne Regler im „Kohlendioxid-Saal“ lieber vermeiden, da die Luft zu 6 Prozent aus dem giftigen Gas besteht. Die Höhle ist insgesamt ein Labyrinth mit einer Vielzahl von Gängen, die ewig lange in den Karst der Budaer Berge laufen. Rund 70 Mio. Liter Thermalwasser mit einer Temperatur von bis zu 70 Grad strömen hier täglich Richtung Donau. Auch die Taucher machen sich langsam wieder auf den Rückweg, noch ganz benommen von den Schönheiten der warmen Unterwasserwelt.

 

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